Spannrückigkeit Hainbuche

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Alnus glutinosa
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Spannrückigkeit Hainbuche

Beitrag von Alnus glutinosa »

Hallo liebe Forums-Mitglieder,

ich war lange nicht mehr hier, würde mich jetzt aber gerne mit folgender Frage an euch wenden:

Hainbuchenstämme und -äste sind häufig bizarr geformt, was sicher oftmals an früherer Schneitelwirtschaft, an ihrer ausgeprägten Regenerationsfähigkeit, am Drehwuchs und vor allem an der Spannrückigkeit ihrer Stämme liegt.

Mich interessiert, worin der Vorteil der Spannrückigkeit liegt. Dazu habe ich nur wenig Befriedigendes wie "Holzfehler", "unregelmäßiges sekundäres Dickenwachstum" und "unregelmäßig entwickeltes Kambium aufgrund unzureichender Nährstoffversorgung" gefunden.

Meine Vermutung ist, dass die Spannrückigkeit den Bäumen eine effektive und sehr flexible Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen, vor allem an abiotische Faktoren (Bodenverschiebungen/Erosion, unter- und oberirdische Hindernisse, Lichtverhältnisse etc.), ermöglicht und dass ihre "Lebhaftigkeit" bzw. Regenerationsfähigkeit dabei manchmal zu überschießenden Reaktionen führt.

Wisst ihr Genaueres über dieses Phänomen?

Herzlichen Dank im Voraus für eure Antworten und viele Grüße,
Britta

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bee
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Re: Spannrückigkeit Hainbuche

Beitrag von bee »

Hallo Britta,

die Frage "worin besteht der Vorteil der Spannrückigkeit" stellt eigentlich niemand, weil das - ein wenig über Umwege - wiederum auf eine "Absicht" schließen ließe.

Ich sehe das so:
die Spannrückigkeit ist u.a. eine Folge des großen Austriebsvermögen/Regenerationsvermögen. Vielleicht (sehr spekulativ) geht damit auch ein kleines Ungleichgewicht bei der Verteilung von Hormonen und Nährstoffen in bestimmten Strukturen einher, weil diese Stoffe mal mehr hier und mal mehr da gebraucht werden und immer "im Fluss" sind.
Dieses besondere Regenerationsvermögen, was irgendwann in der Evolution der Hainbuchen auftauchte, war vorteilhaft (bei Wildverbiss und Sturmschäden usw.) und die Bäume, die das besaßen, konnten sich gut vermehren.
Aber es war nicht so sehr vorteilhaft gegenüber anderen Baumarten am gleichen Standort, wo das nicht so sehr ausgeprägt war, dass die Hainbuchen die anderen Bäume verdrängt hätten oder dass bei den anderen Baumarten auch nur jene Exemplare sich besonders vermehrt hätten, die ein besonders ausgeprägtes Regenerationsvermögen gehabt hätten.

Die Spannrückigkeit ist meiner Meinung nach "nur" nicht nachteilig bei der Arterhaltung. Wenn sie einen großen evolutionären Vorteil darstellen würde, dann wäre sie auch bei den anderen Bäumen, die ähnliche Standorte besiedeln, deutlich ausgeprägt.
Die Hainbuche hat ja eine sehr weite Verbreitung, geografisch, klimatisch und von den Böden her, soll wegen der tiefen und gut ausgebildeten Wurzeln auch gut mit Trockenheit klarkommen, aber besonders extreme Standorte sind eigentlich nicht darunter.

Zur Verbreitung und Standorten bei Wiki: https://de.wikipedia.org/wiki/Hainbuche
Viele Grüße von bee

Spinnich
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Re: Spannrückigkeit Hainbuche

Beitrag von Spinnich »

Mit Spannrückigkeit wird bei Baumstämmen das Phänomen bezeichnet, dass der Stamm keinen kreisrunden, sondern einen unregelmäßigen Querschnitt besitzt. Der Querschnitt ist durch tiefe Furchen und Wülste gekennzeichnet. Sie kommt häufig bei älteren Bäumen im Wurzelanlauf vor. Wenn sie sich hoch in den Stamm zieht, so wird sie als Holzfehler angesehen. Besonders häufig tritt sie bei Hainbuche, Eibe, Holzapfel und Wacholder auf, in geringerem Ausmaß bei der Grau-Erle.
Nach anderen Quellen betrifft dieses Phänomen auch Hickory und Robinie.
Es ist also nicht nur die Hainbuche, die -wie bee schon schreibt- über ein großen Austriebsvermögen/Regenerationsvermögen verfügt, also ist dies ein Faktor, der für den Baum bei Wildverbiss nützlich ist, was sicher für die Robine auch gilt.
Ein anderes mehr am Stammgrund, Wurzelanlauf zu findendes Phänomen, sehe ich beim unrunden Wurzelanlauf, der ja ähnlich geastaltet ist, wie die Brettwurzeln mancher Baumriesen, aber auch z.B. bei der Flatterulme im Alter auftreten.
Damit, würde ich mutmaßen, dürfte womöglich eine bessere Verankerung im Boden, also eine Stabilisierung des aufstrebenden Baumes einhergehen.

LG Spinnich :)
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baumlaeufer
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Re: Spannrückigkeit Hainbuche

Beitrag von baumlaeufer »

Ich sehe solche Hainbuchen von der Wuchsform eher " laienhaft" durch massive Stränge geformt , wie quasi aus dem Boden wirr gezogene Seile , die in die Kronenform übergehen.

Also, wenn die Krone erst mal existiert und ausgeformt werden muss , schafft der Baum dann Unterstützungsmöglichkeite ala Druckholz nach " oben ". Klar, bei langstieligen Eichen im Bestand sieht das anders aus .

Aber, Eure Beiträge bilden mich weiter bei dieser im Wald eher dienenden Holzart :wink:

Baumlaeufer
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Alnus glutinosa
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Re: Spannrückigkeit Hainbuche

Beitrag von Alnus glutinosa »

Guten Abend,

vielen Dank für eure Antworten!

Ein bisschen sehe ich meine Vermutung in dem, was ihr schreibt, bestätigt. Gerade für eine in Wäldern eher untergeordnete Baumart ist eine erhöhte Anpassungsfähigkeit sicherlich nicht schlecht.

Die Frage nach dem (evolutionären) Vorteil ist für mich übrigens keine Frage nach einer (bewussten) Absicht. Ob und, wenn ja, welchen Vorteil ein Merkmal bietet, ist eine übliche Frage - wenn auch nicht immer mit letzter Sicherheit zu beantworten. Und natürlich besteht auch immer die Möglichkeit, dass ein Merkmal eben nur kein Nachteil ist :wink:

Viele Grüße,
Britta

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bee
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Re: Spannrückigkeit Hainbuche

Beitrag von bee »

Hallo,
im Waldbestand finde ich eigentlich häufig "nicht-spannrückige" Hainbuchen, bzw. wo das nur wenig ausgeprägt ist.
Von einer ganz extremen Hainbuche im Freistand muss ich mal neue, bessere Fotos machen, dieser Baum eignet sich durchaus fürs Baumregister (wo ja jetzt auch Bäume außerhalb Deutschland vorgestellt werden ... denn jene Hainbuche steht in der Schweiz.).

Interessant fand ich diese zwieselige Hainbuche mit Hexenbesen/Knospensucht (Ergebnis des Befalls mit Taphrina carpini)
hier in meinem Endlosthread.
Viele Grüße von bee

ilex2021
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Re: Spannrückigkeit Hainbuche

Beitrag von ilex2021 »

Hallo zusammen,
für mich entsteht immer dann ein Spannrücken, wenn die gerade Haltung durch seitliche Kräfte dauerhaft beeinflusst werden. Das trifft auf alle Bäume zu. Viele sprechen auch von Druck und Zugholz. Die Hainbuchen sieht man sehr oft mit Spannrücken an Standorten, wo die senkrechte Wuchsform stark beeinflusst wird. Auch ein einzelner Ast kann einen ausgeprägten Spannrücken haben. Sowas brauchte man im traditionellen Schiffbau für den sogenannten Steven.
Grüße aus der Natur
ilex

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