Hallo Miyelo,
die Darstellung dieses Baumes findet man in den überlieferten Texten der germanischen Mythologie, wie sie im Mittelalter von skandinavischen Dichtern festgehalten wurden.
Snorri Sturluson, ein isländischer Staatsbeamter und Dichter (1178 -1241) hat die berühmte Schilderung der Riesenesche Yggdrasil um 1220 -1230 aus weit älteren Überlieferungen, die seit Jahrhunderten mündlich weitergegeben wurden und allmählich in Vergessenheit zu geraten drohten, niedergeschrieben.
Es sei erwähnt, dass die Dichter im mitteralterlichen Nordwesteuropa, die Dinge selten beim Namen nannten. Die keltischen Barden und die nordische Skladen bevorzugten Metaphern, Rätsel sowie eine imaginative Bildersprache. Dies wurde zu einer hochentwickelten poetischen Methode.
In der skaldischen Dichtung gab es sogar einen speziellen Ausdruck, der
Kenning, der einen zusammengesetzten Begriff oder eine figurative Phrase bezeichnet, die anstelle des üblichen Namens eines Objektes verwendet wird. Ein
Kenning besteht aus einem zusammengesetzten Hauptwort zB 'Wellenpferd' für Schiff oder 'Drahtesel' für Fahrrad (was es seiner Zeit natürlich noch nicht gab).
Oft bedarf es einer tiefen Kenntniss der nordischen Mythologie, um die
Kenningar zu verstehen. Mitunter sind
Kenningar äusserst indirekt, wodurch Textstellen für spätere Generationen völlig unverständlich wurden.
Nichtsdestotrotz wurden die isländischen Texte, die den nordischen Weltenbaum als
Ask, 'Esche', bezeichnen nach dem Mittelalter wörtlich genommen, was zu einem ungeheueren Missverständnis in der Mythologie geführt hat, das bis heute anhält.
Der Weltenbaum wird als 'immergrüne Nadelesche' (
barraskr = Nadelesche,
vetgrönster vidr = wintergrünster Baum) umschrieben, was deutlich zeigt, dass es sich hier um einen
Kenning handelt, denn der Eschenbaum ist weder immergrün noch hat er Nadeln.
Diese Informationen stammen teilweise aus
'Die Eibe in neuem Licht' von Fred Hageneder.